Wechselspiel zwischen Körper und Geist: Warum gibt es die Ernährungspsychologische Beratung?
„In einem gesunden Körper steckt ein gesunder Geist“, das sagte bereits der Dichter Juvenal vor mehr als 2000 Jahren in seinen römischen Satiren. Die Vermutung, dass Essen nicht nur Einfluss auf unseren Körper, sondern auch auf die Seele hat, ist demnach Jahrtausende alt. Beweise dafür aus der Wissenschaft gibt es zahlreiche und immer mehr gehen Forscher der Symbiose von Ernährung und Psychologie auf den Grund. Es werden Botenstoffe in Nahrungsmitteln gefunden, die sich auf unser Gehirn auswirken. Der Magen-Darm-Trakt und dessen komplexes Geflecht an Nerven, übermittelt Signale in unser Gefühlszentrum. Unser Immunsystem reagiert auf das was wir essen und kann mit Verstimmung oder Freude darauf antworten. Und nicht zuletzt sind es die Darm-Bakterien, welche bei der Verwertung von Speisen unsere Launen mitbestimmen können. Daran zeigt sich nicht nur, dass Ernährung unser Wohlbefinden sowie Verstimmungen beeinflussen kann, sondern auch wie sehr wir uns bewusstmachen müssen, dass dieses Wechselspiel von uns gesteuert werden kann.
Vor allem für Menschen, die durch das Essen eine kurzfristige Strategie gefunden haben Defizite auszugleichen fällt es schwer, Ernährungsgewohnheiten zu ändern. In einer Ernährungs-Psychologischen Beratung werden Klienten Wege aufgezeigt wie die Ernährung optimal umgestellt oder angepasst werden kann. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Mensch als Ganzheit. Um einen langfristigen Erfolg bei der Ernährungsumstellung erzielen zu können, gehen Ernährungs-Psychologische Berater davon aus, dass Körper und Seele in Verbindung zueinanderstehen.
Wahre Ursachen des Essverhaltens erkennen: Was ist Ernährungs-Psychologische Beratung?
Allein das Wissen darüber, wie man sich gesund und ausgewogen ernährt, reicht meist nicht aus, dass der Mensch sein Essverhalten nachhaltig verbessert. Die individuellen Lebenssituationen, die Art und Weise mit Emotionen zu handhaben, gelernte Verhaltensmuster oder unrealistische Vorbilder, können beispielsweise Einfluss auf den Umgang mit dem Essen nehmen. Genau an dieser Stelle setzt die Ernährungs-Psychologische Beratung an. Anstatt den Fokus einzig und allein auf die Ernährung zu legen, wird vorab ganz genau auf die individuellen Bedürfnisse, Lebensumstände und Motivationen des Klienten Acht gegeben. Das bedeutet, die Ernährungs-Psychologische Beratung unterstreicht die Wechselwirkungen zwischen Körper und Psyche.
Die Ernährungs-Psychologische Beratung ist eine ganzheitliche Methode, die versucht den wahren Ursachen Ihres Essverhaltens auf den Grund zu gehen und Ihre Bedürfnisse zu erkennen. Durch die Einbeziehung von festgefahrenen Denkprozessen oder seelischen Blockierungen, können Ernährungs-Psychologische Berater Ihre Überzeugungen und Verhaltensweisen beim Essen zum Positiven verändern. Aus diesem Grund werden Methoden, wie wir sie aus der klassischen Psychologie kennen, bei der Ernährungs-Psychologischen Beratung in der Anwendung mit einbezogen. Um Beschwerden nicht nur äusserlich, sondern vor allem im Innern zu behandeln.
Die Wirkungsweise: Wem hilft die Ernährungs-Psychologische Beratung?
Die Ernährungs-Psychologische Beratung kann bei verschiedenen Ernährungsproblematiken helfen.
Einige Beispiele sind Gewichtsprobleme wie Übergewicht oder Untergewicht sowie emotionales Essverhalten, Essverhaltensstörungen, Esssucht wie beispielsweise Bulimie, Verdauungsbeschwerden, oder Adipositas (auch als Fettleibigkeit bekannt).
Doch auch für Menschen die ein Interesse daran haben ihre Ernährung im Alltag oder im stressigen Berufsleben zu optimieren, kann zu einer Ernährungs-Psychologischen Beratung geraten werden. Ebenso können sich Sportler beraten lassen, um Wege zu finden, Ihre Leistung zu maximieren.
Ansätze aus der Psychotherapie: Methoden der Ernährungs-Psychologischen Beratung
Bei der Ernährungs-Psychologischen Beratung basiert eine Behandlung meist auf dem personenzentrierten Gespräch. Der personenzentrierte Ansatz findet seinen Ursprung in der Psychotherapie und ist dort neben der Psychoanalyse und der Verhaltenstherapie, eine der verbreitetsten Therapieformen. Der personenzentrierte Ansatz geht auf den amerikanischen Psychologen Carl Ransom Rogers zurück, den er in den 40er Jahren entwickelte. Bei dieser Methode wird ein Klient vom Berater als gleichberechtigt und als ganzheitliches Wesen verstanden. Der Ernährungs-Psychologische Berater geht beim personenzentrierten Gespräch also davon aus, dass der Mensch dazu in der Lage ist seine Fähigkeiten bestmöglich einzusetzen, um Bedürfnisse zu befriedigen und sich selbst zu verwirklichen. Mithilfe von Gesprächen ist es das Ziel, Verhaltensmuster des Klienten zu verändern.
Neben dem personenzentrierten Gespräch, kommen bei der Ernährungs-Psychologischen Beratung auch Methoden aus der Körperzentrierten Psychotherapie und der Gestalttherapie zum Tragen. Die Körperzentrierte Psychotherapie sieht den Körper als Ressource. Der Berater konzentriert sich demnach vor allem darauf, wo sich das Problem im Körper des Klienten befindet und wie der gesunde Organismus dabei helfen kann, dieses zu lösen. Somit können psychische Blockaden durch bestimmte Körpererfahrungen selbst gelöst werden.
Bei der Gestalttherapie steht das Bewusstsein im Mittelpunkt. Durch die Beobachtung von Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen, können unbewusste Muster dem Klienten zugänglich gemacht und überwunden werden. Der Berater ist dabei ähnlich wie beim personenzentriertem Gespräch, ein partnerschaftlicher Begleiter, welcher Ihnen Wege und Techniken aufzeigt, mehr Bewusstsein beim Essen entwickeln zu können.
Die Ernährungs-Psychologische Beratung: Wie verläuft die Behandlung?
Soziale Kompetenzen wie Wertschätzung, Verständnis und Einfühlungsvermögen, sollte der Ernährungs-Psychologische Berater mitbringen, um Ihnen Mut und Selbstvertrauen während einer Beratung zu geben. Denn der Klient wird nicht als Mensch mit einem Ernährungsproblem betrachtet, sondern viel mehr als Mensch mit Lösungspotenzial. Eine Ernährungs-Psychologische Beratung ist in jedem Fall individuell und kann sich sehr komplex gestalten.
Drei Schritte sind allerdings sehr wichtig für eine zielorientierte und erfolgreiche Beratung, die bei jedem Klienten erfolgen sollten: 1.) ein Gespräch vor dem Beginn einer Massnahme 2.) die darauffolgende Umstellung oder Anpassung der Ernährung und 3.) der Lernprozess, den Sie anschliessend durchlaufen werden.
1.) Zielsetzung, Motivation und Eigeninitiative
Bei der Ernährungs-Psychologischen Beratung werden Vorstellungen, Wünsche und Ziele vorab besprochen und idealerweise in Etappen geplant. Dabei werden die Voraussetzungen des Klienten zunächst analysiert, sodass unrealistische Zielsetzungen vermieden werden, die demotivieren können.
Der Ernährungs-Psychologische Berater versucht das Verhältnis von Leidensdruck, Wunsch und Bereitschaft des Klienten zu ermitteln und schafft damit eine Basis für eine positive Atmosphäre während der Beratung. Die Änderungen beim Essverhalten werden geduldig besprochen und Sie sollten dazu motiviert werden, gesteckte Ziele einhalten zu wollen.
Zudem werden Sie in der Ernährungs-Psychologischen Beratung erfahren, wie wichtig Erfolgserlebnisse sind, die Sie durch die Einhaltung einer klaren Zielsetzung bekommen werden.
2.) Ernährung und Umstellung
Angelernte Verhaltensmuster werden bei der Ernährungs-Psychologischen Beratung erkannt und verändert. Sie werden ebenso lernen, wie eine ausgewogene und gesunde Ernährung aussehen könnte, welche Defizite Sie in Ihrem Essverhalten aufweisen und welche Strategien es gibt, diesen entgegen zu wirken.
Ganz individuell auf Bedürfnisse, Vorlieben, Abneigungen, Lebensumstände und Gewohnheiten abgestimmt, werden Sie zusammen mit Ihrem Berater eine langfristige Lösung erarbeiten, Ihre Ernährung umzustellen. Die Umstellung erfolgt dabei in der Regel nicht drastisch und überdiszipliniert, sondern schrittweise und geduldig. Sie behalten während der gesamten Beratung die Verantwortung und jede Massnahme erfolgt somit aus der freien Willenskraft heraus. Der Ernährungs-Psychologische Berater nimmt dabei eine unterstützende Funktion ein und versucht Sie in Ihren Zielsetzungen zu motivieren.
Verbotene oder erlaubte Lebensmittel gibt es in einer Ernährungs-Psychologischen Beratung nicht. Zudem werden keine Essenspläne erstellt und auch Diäten oder fragliche Methoden, um Gewicht zu verlieren, gehören nicht in die Ernährungs-Psychologische Beratung. Vielmehr sollen Sie durch eine achtsame Begleitung, Schritt für Schritt, ein flexibles Essverhalten erlangen. Somit entwickeln Sie wieder mehr Genuss beim Essen und gewinnen Sicherheit dazu.
3.) Selbstwahrnehmung und Bewusstsein
Bei der Ernährungs-Psychologischen Beratung wird das Essverhalten aus der ganzheitlichen Perspektive betrachtet. Es geht also vor allem darum, ein Bewusstsein beim Essen zu entwickeln. Sie werden lernen, wie Sie Ihre Körpersignale besser wahrnehmen können, um Ihr Essverhalten reflektieren zu können. Die Ernährungs-Psychologische Beratung hilft Ihnen ebenfalls dabei Verbindungen zwischen Stress, Verstimmungen, schlechten Gefühlen oder Gedanken während des Essens zu bemerken.
Ernährungsberatung und Ernährungs-Psychologische Beratung im Vergleich
Der wichtigste Unterschied zwischen einer Ernährungs-Psychologischen Beratung und anderen Formen der Ernährungsberatung ist die intensive Auseinandersetzung mit dem Körper. Der Zugang zum den Körpersignale wie das Hunger-/Sättigungsgefühl werden gefördert. Die so erfahrene Körperwahrnehmung führt auch zu einem verbesserten Körperbild und dessen Akzeptanz. Dabei steht die Körperzentrierte Psychologie IKP als Ansatz im Mittelpunkt der Beratung.
Die Ernährungs-Psychologische Beratung unterstützt Sie auf Ihrem persönlichen Weg, ein Bewusstsein für das Essen und Ihre Bedürfnisse zu entwickeln und Sie so durch Gespräche in Ihren Wünschen und Vorhaben stärken. Wie auch bei der Ernährungsberatung, werden auch bei der Ernährungs-Psychologische Beratung alle wichtigen Ernährungsinformationen über die Ernährungspyramide vermittelt. Ihr Essverhalten wird mittels eines Ernährungsprotokolls besprochen und Sie werden zum Beispiel auch beim Einkauf in den Supermarkt begleitet.
Ein klassischer Ernährungsberater erstellt Essenspläne, zeigt Ihnen Kalorientabellen und versucht Sie auf diese Weise zu einem gesunden Lebensstil zu motivieren. Er fokussiert darauf, welche Nährstoffe in welchen Lebensmitteln enthalten sind. Die klassischen Ernährungsberater berufen sich überwiegend auf biochemische Prozesse und Ernährungsregeln, was bei Krankheitsbedingten Ernährungsthemen wichtig ist. Auch können Ansätze aus der ganzheitlichen Ernährungsberatung integriert sein.
Die Psychologie spielt keine übergeordnete Rolle bei einer klassischen Ernährungsberatung. Allerdings gibt es Ernährungsberater, welche Weiterbildungen absolvieren und sich beispielsweise mit der Verhaltenstherapie vertraut machen und diese in ihrer Beratung miteinbeziehen.
Unterschied zwischen Psychotherapie und Ernährungs-Psychologischer Beratung
Sowohl in einer Psychotherapie als auch in einer Ernährungs-Psychologischen Beratung, wird Ihre Seele erkundet, um Bedürfnissen, Verhaltensmustern, Angewohnheiten und vielen weiteren einflussreichen Faktoren auf den Grund zu gehen.
Der Ernährungs-Psychologische Berater wendet dabei Methoden aus der Psychologie an, die sich auch in einer Psychotherapie grosser Beliebtheit erfreuen. Aus diesem Grund durchläuft jeder Ernährungs-Psychologische Berater in seiner Ausbildung ein Grundstudium der Psychologie, um sich ein Basiswissen über psychologische Zusammenhänge aufzubauen.
Doch im Gegensatz zur Ernährungs-Psychologischen Beratung, behandelt die Psychotherapie gezielt Essstörungen mit einem Krankheitswert.
Die Ernährungs-Psychologische Beratung muss nicht ausgeschlossen werden, leidet man unter einer krankhaften Essstörung. Sie kann eine begleitende Massnahme sein und in Zusammenarbeit mit einem Arzt, einem Psychologen oder Psychiater durchgeführt werden.
Ausbildung und Anerkennung: Der Ernährungs-Psychologische Berater als Beruf
Ernährungs-Psychologische Berater werden seit 2002 am Institut für Körperzentrierte Psychotherapie (IKP) in Zürich und Bern ausgebildet.
Eine Ausbildung erstreckt sich über vier Jahre, ist berufsbegleitend und wird am Ende mit einem Diplom ausgezeichnet. Schwerpunkte bei der Ausbildung sind vor allem das Wissen über die Ernährung, Grundlagen der Psychologie sowie ernährungs-medizinisches Basiswissen.
Die Ausbildung wird von der schweizerischen Stiftung für Komplementärmedizin (ASCA) anerkannt und nach dem erfolgreichen Abschluss, kann sich der Ernährungs-Psychologische Berater dem Verband Ernährungs-Psychologische Beratung Schweiz anschliessen.
Das Diplom als Ernährungs-Psychologischer Berater ist die Grundlage für eine Zulassung und bietet dem Ernährungs-Psychologischen Berater die Möglichkeit, höhere Fachprüfungen zu absolvieren. Dadurch kann dieser Zusatzqualifikation in psychosozialen Bereichen und das eidgenössische Diplom erhalten.
Tipp: Eine Ernährungs-Psychologische Beratung wird von der Zusatzversicherung anerkannt. Das bedeutet, Sie müssen mit Ihrer Krankenkasse klären, welche Leistungen dabei zu welchen Bedingungen übernommen werden.