Gefahren der Gewaltfreien Kommunikation

Als Erstes würde ich gerne sagen: Ich halte Gewaltfreie Kommunikation für eines der effektivsten Mittel, um Menschen zu helfen, einen besseren Umgang mit sich Sich selbst und anderen Menschen zu finden. Ich habe schon einige Kritiken der GfK gelesen, die ich nicht immer berechtigt fand, da sie keine konsequente Anwendung von GfK darstellten. Eher waren es für mich Erklärungen, was man bei GfK falsch machen kann gekoppelt mit der fälschlicherweise gemachten Unterstellung, dass GfK so funktioniere. Aber auch wenn ich oft genannte Kritik an GfK nicht teile, sehe ich trotzdem gewisse Risiken in der Auseinandersetzung damit:

 

  1. Selbstüberschätzung

Hört man den Geschichten und Beispielen von Marshall Rosenberg zu, so hat man oft den Eindruck, dass man das Mittel gefunden hat, welches einem absolute Kontrolle über das eigene Beziehungserleben gibt. Eine oft geteilte Volks“weisheit“, dass an Konflikten immer alle Parteien ihren Anteil daran hätten, verstärkt wohl diesen Irrtum, dass man sich nur „richtig“ verhalten müsse, um ohne Konflikte durchs Leben zu gehen. Fakt ist eher: Es braucht oftmals aktive Kooperation beider Seiten, um Konflikte zufriedenstellend zu lösen. So sind Konflikte zwar einfach lösbar, wenn man eine Verbindung auf der Ebene von Gefühlen und Bedürfnissen findet. Nur verlangt das aber eine gewisse Bereitschaft auch unangenehme Gefühle und eigene Verletzbarkeit zuzulassen. Ist bei einem der Beteiligten diese Bereitschaft nicht gegeben, wirds oftmals schwierig. Dann gilt es andere Methoden als empathisch zuhören einzusetzen, um einen gerechten Lohn, eine faire Besuchsregelung der Kinder oder einfach nur Ruhe vor dem Lärm der Nachbarn zu erlangen.

 

  1. Komplexe Fragestellungen mit GfK lösen wollen.

Schaden die Covid-19-Massnahmen mehr oder helfen sie unter dem Strich? Nunja.. Wir haben Angst und wollen Schutz für unsere Gesundheit haben. Sowohl eingefleischte Befürworter wie auch Gegner der aktuell herrschenden Massnahmen sind sich da einig. Wie kommt man nun aber weiter, wenn sich die Fronten zunehmend verhärten? Allein mit GfK leider nicht. Da braucht es wissenschaftliche Methodik und statistisch-mathematische Analysen. Der Verstand hat manchmal auch seine Vorzüge, um Wahrscheinlichkeiten möglichst genau festzustellen. Wer da dann anderen vorwirft, dass „recht haben wollen“ nichts bringt, verkennt dann oftmals nur das Problem.

 

  1. Überheblichkeit der „Erleuchteten“

Hat man sich in die GfK-Konzepte vertieft, dann kann man in eine Welt eintauchen, in der einem plötzlich alles sehr einfach und harmonisch erscheint. Wer in Beziehungen zu anderen dann in Situationen kommt, in denen alles nur kompliziert, verwirrend, ambivalent und jenseits von jeglicher Lösungsorientierung im Gedankenkreis-Karussel um sich dreht, muss dann schon verdammt aufpassen, die Grenzen aller Beteiligten zu wahren. „Jetzt sag einfach mal was Du willst!!“ oder „Es ist Deine Schuld, wenn Du Dich nicht klar äussern kannst!“ rutscht dann schnell mal raus und macht die Situation nicht unbedingt besser. Was ganz konkret auch heisst, die eigenen Grenzen gut zu kennen und auch ausdrücken zu können.

 

  1. Gruppendynamiken in GfK-Kreisen

Ach wie schön wäre es, in Kreisen mit lauter GfK-lern zu sein, wo alle so selbstreflektiert und achtsam wie man selbst ist. Wäre das nicht Harmonie und Verbindung pur? Leider ist dem nicht so... Schlimmer noch: Kommt es plötzlich zu unlösbaren Konflikten, kann man das nicht wie beim örtlichen Schiessverein einfach sein lassen und gemütlich weiterleben. Nein: Geschieht es in Verbindung mit jemandem, der abhängig davon ist, „gut“ in GfK zu sein (sei dies aus finanzieller Abhängigkeit oder aus Gründen der eigenen Identität), so stellt das eine wunderbare Grundlage für übelste Mobbing-Dynamiken dar. An GfK zu „glauben“ kann einem sehr viel Geborgenheit und Zuversicht geben. Wer in einem solchen bewussten und achtsamen Umfeld fähig ist, die Harmonie zu zerstören, ist halt entweder in eine ungünstige Konstellation rein geraten oder einfach ein ganz schlimmer Mensch, vor dem natürlich „gewarnt“ werden muss.

 

  1. Selbstüberforderung

„Alles was ich machen muss, ist brav meine Übungen durchzuführen, mich mit meinen Gefühlen und Bedürfnissen zu verbinden und mich ganz dolle Selbst lieb haben. Wenn es mir dann immer noch Scheisse geht, dann ist das ja verdammt nochmal meine Schuld, weil die anderen sind ja nicht für mein Glück verantwortlich. Was für ein jämmerliches Stück Dreck muss ich sein, dass ich auch nach jahrelanger Auseinandersetzung mit GfK nicht glücklich bin, obwohl ich solch supertolle Gefühls- und Bedürfnis-Meditationen zur Hand habe, die ich jederzeit üben kann. Den anderen geht's doch viel schlechter als mir. Vielleicht geht's mir dann auch besser, wenn ich jemand anderem etwas Empathie schenken kann. Wenn der richtige Moment gekommen ist, kann ich ja mein Befinden teilen. Aber einfach noch nicht jetzt. Will ja niemandem zur Last fallen... Ich bin ja auch viel erfahrener in GfK als die anderen. Da muss man sich halt auch zurückstellen! Ich mach jetzt meine Selbst-Empathie-Übung!“

So in etwa kann ein innerer Monolog von jemandem aussehen, der in die Falle tappt, sich selbst völlig damit zu überfordern, indem man sich niemand anderem zumuten will!

Grundsätzlich bietet GfK aber eine wirklich tolle Grundlage dar, um sich selbst in seinem Beziehungsverhalten weiterzuentwickeln. Sehr gerne biete ich im Prozess der Erlernens davon im Einzel- oder Gruppensetting meine Unterstützung an.

Im Bewusstsein über die genannten Gefahren, lassen sich diese auch weitgehend vermeiden. 

Was denkt ihr so über die Gewaltfreie Kommunikation und ihre Gefahren? Eure Gedanken und Euer Feedback sind hier herzlich willkommen!

 

test-banner