Tanne und Fichte - das Königspaar des Waldes

Die weibliche Fichte und die männliche Tanne prägen das Bild des winterlichen Waldes. Das geübte Auge erkennt den Unterschied zwischen den beiden Tannenbäumen spielend leicht. Ihre heilsamen Kräfte macht sich der Mensch seit je zunutze.

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Tanne und Fichte - das Königspaar des Waldes

Die stille Kraft, die ein Tannenbaum in der tief verschneiten Landschaft ausstrahlt, erfüllt mich jedes Jahr aufs Neue mit tiefer Freude und Wärme. Alleinstehend auf einer weiten Fläche, regelmässig und schön in seiner Wuchsform, wirkt der Tannenbaum stolz und majestätisch. Findet man ihn hingegen in dichten Baumgemeinschaften, so strahlen die Tannenbäume einen enormen Gruppengeist aus. Es lohnt sich, die für unser Auge so vertrauten Nadelbäume etwas genauer zu betrachten. Sehr häufig trifft man in den Wäldern auf Rottannen (Fichten) und Weisstannen. Für mich sind diese zwei Nadelbäume wie Mann und Frau.
Die Fichte widerspiegelt die weiblichen Aspekte. In den nach unten hängenden Ästen, die aussehen wie ein wiegender Rock, und den Tannenzapfen, die wie Christbaumschmuck an den Ästen hängen, erkenne ich die Erdenschwere und das Weibliche Prinzip. Selbst das Fichtenharz weist auf das Erdelement hin: es riecht eher modrig und muffelig. Die Fichte steht unter anderem für das Gebären - nicht im Sinn der Fortpflanzung, sondern eher im Sinne des Entwickelns und Umsetzens neuer Ideen und Projekte.

Die männliche Weisstanne erinnert in ihrer Wuchsform an eine Pyramide. Die Äste stehen fast waagrecht, die Zapfen sitzen auf den Ästen und wachsen nach oben. Das zeigt einen starken Bezug zur Sonnenenergie und zum Licht, das sich im Harz der Weisstanne spiegelt: es schimmert gelblich und duftet angenehm. Man bezeichnet es deshalb als das „Gold des Winters“. Wie kleine Antennen ziehen die männlichen Tannen das Licht an und leiten es nach unten in die Erde, wo dank dem Licht neues Leben entstehen kann.

Die Tanne

Die Kraft der Bäume nutzen

Die Fichten und Tannen symbolisieren somit die Polarität des männlichen und weiblichen Prinzips; sie dürfen durchaus als starkes Kraftsymbol der sexuellen Vereinigung betrachtet werden. Weil die Weisstanne das Licht der Sonne zur Erde holt und die Rottanne umgekehrt das Prinzip der Erde an die Oberfläche bringt, vereinigen sich in beiden Bäumen himmlische und irdische Lebenskräfte. Die Kraft der Weisstanne nutze ich in der Winterzeit für meine Kreativität. Der Baum hilft mir, neue Ideen zu empfangen und Lösungen zu finden. Mit der Kraft der Fichte bringe ich die Ideen zu Boden und lasse sie reifen, um sie zur richtigen Zeit optimal umzusetzen zu können.

Experimentierfreudige unter Ihnen können die Rottanne als Heilerin nutzen. Der Baum hat die Eigenschaft, Krankheiten vom Menschen aufzunehmen und zu transformieren. Mit Hilfe eines Zauberspruchs kann man, Überlieferungen zufolge, Gichtleiden der Fichte übertragen. Das geht so: Man umschreitet den ausgewählten Baum und klagt ihm sein Leid mit dem Spruch: «Fichtenbaum ich klage dir, drei Würmer, die stechen mir. Der eine ist grau, der andere blau, der dritte ist rot. Ich wollte wünschen, Sie wären alle drei tot!» Dann bindet man ein Stück Kleidung oder einige Haare an den Baum.

Der Kreislauf des Lebens

Tannen sind Kraft- und Lebensbäume, die uns sprühende Lebendigkeit vermitteln. Sie werden bis zu 600 Jahre alt und verkörpern durch ihre Langlebigkeit und das immergrüne Wesen Themen wie Erneuerung, Wiedergeburt und ewiges Leben. Sie helfen bei der Rückverbindung zum Göttlichen und unterstützen den achtsamen Umgang mit sich selbst und seiner Umwelt. Das keltische Wort «tan» bedeutet «Feuer». Das Element Feuer wiederum ist der Inbegriff von Wärme, Liebe und Leben. Mit Hilfe des Feuerelementes öffnet sich das Herz für die Magie des Lebens.

Ein Sinnbild für neues Leben ist das Aufrichten einer Tanne bei der Geburt eines Kindes, wo die Tanne den Kreislauf des Lebens und Sterbens symbolisiert. Früher wurden bei den Tannen Fruchtbarkeitsrituale abgehalten und nach der Geburt dienten Tannenzweige als Räucherwerk, um die Mutter und das Neugeborene zu schützen und stärken. Den Verstorbenen wiederum wurde ein Samen eines Tannenzapfens in den Mund gelegt als Symbol der Wiedergeburt. Für Beerdigungskränze verwendet man auch heute noch vorwiegend Nadellaub.

Ich schätze Fichten und Tannen zudem als spirituelle Meister, die mich lernen, meine Einzigartigkeit zu erkennen und gleichzeitig nicht zu vergessen, dass ich Teil eines grossen Ganzen bin. Die Bäume wecken in uns die Fähigkeit, die Qualitäten jedes Einzelnen als Bereicherung wahr zu nehmen. Dadurch stärken sie den schützenden Zusammenhalt zwischen Menschen und helfen uns, die Bedürfnisse des Miteinanders wieder schätzen zu lernen.

Die Fichte

Das „Gold des Winters“, das würzige Harz der Tanne mit seinem unwiderstehlich wärmenden Duft, verdient ein besonderes Augenmerk. Im Harz ist die umgewandelte Sonnenkraft gespeichert, die dem Baum eine feurige Wärmeenergie verleiht. Dadurch wird das Tannenharz zu einem Wärmeträger, das den Nadelbäumen genügend Kraft gibt, um ihre Nadeln auch im Winter zu tragen. Das Harz schützt die Bäume auch vor Schadinsekten; und es verfügt über eine starke pilz- und bakterienhemmende Wirkung. Ich verwende es für Salben und als Pflaster. Tannenharz regt zudem die Durchblutung an und hilft bei Rheuma, Arthrose, Hexenschuss, Muskelschmerzen, Verspannungen und vielen weiteren Beschwerden des Bewegungsapparats. Auch bei Lungenbeschwerden, spröder Haut, Schürfwunden oder entzündeten Hautstellen habe ich gute Erfahrungen damit gemacht. Um an das Harz zu kommen, erntet man auslaufendes Harz, das aus dem Holz tritt, wenn ein Baum geholzt wird. Auch die jungen grünen Zapfen sind reich an Harz. Auf keinen Fall ritzt man einen gesunden Baum ein, um das Harz zu gewinnen!

Anwendungstipps

Achtung: Zwischen Tannen und Eiben besteht eine gewisse Verwechslungsgefahr. Die Eibe aber ist stark giftig (alle Teile bis auf das Fruchtfleisch), deshalb darf es unter keinen Umständen zu einer Verwechslung kommen! Wer unsicher ist, kauft die Tannenprodukte besser im Fachhandel.

Eibe

 

Ölauszug selber machen

Aus dem frisch gewonnenen Harz lässt sich ein Ölauszug zubereiten. Dazu füllt man ein hitzebeständiges Gefäss (Achtung: man bringt es kaum mehr sauber) zu einem Drittel mit Harz; man kann zusätzlich einige Tannennadeln beifügen. Die anderen zwei Drittel füllt man mit einem guten Bio-Olivenöl auf, wärmt das Ganze im Wasserbad und hält das Harz-Öl-Gemisch während sieben Stunden auf der Herdplatte oder im Ofen warm (Körpertemperatur). Danach den Ölauszug absieben, in gut verschliessbare Glasgefässe geben und während den nächsten 12 bis 24 Monaten aufbrauchen.
Anwendungsmöglichkeiten: als Massageöl für Gelenke und verspannte Muskeln, zum Aufwärmen der Sehnen und Bänder, für ein Entspannungsbad etc.

Harzbalsam herstellen

Der Ölauszug kann pur verwendet werden oder zu einer Salbe weiter verarbeitet werden. Dazu braucht es 30 ml Ölauszug und 3g Bienenwachs. Das Bienenwachs gibt man in das Harzöl und erwärmt es im Wasserbad, sodass sich das Wachs auflösen kann. Dann lässt man das Gemisch auf Handwärme abkühlen und fügt ätherische Öle nach Wahl bei. Nochmals gut umrühren und in passende Dosen abfüllen. Der Harzbalsam ist bis zu drei Jahren haltbar. Es wirkt entzündungshemmend, zusammenziehend und keimtötend.
Anwendungsmöglichkeiten: bei Wunden aller Art, Hautirritationen, Neurodermitis, Schuppenflechte und Entzündungen wie Gicht oder Rheuma. Harzbalsam kann auch als Zugsalbe angewendet werden, um Spriessen aus der Haut zu entfernen.

SOS-Harzpflaster

Das weiche Harz von Tannenbäumen kann man direkt auf Hautwunden auftragen, auch auf offene. Bei tiefen Schnitten die Wunde wenn möglich zuerst mit Steristrips zusammenziehen. Das Harz wirkt wie eine Zugsalbe und kann zu vermehrter Eiterbildung führen. Das ist ein gutes Zeichen, weil der Eiter auf diese Weise aus dem Körper austritt. Das Harz regelmässig erneuerern, bis die Wunde geheilt ist.

Text: Natürlich Magazin

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