Als Jugendlicher hab ich mich liebend gerne bewegt und war auch sportlich aktiv. Ich liebte es durch Wälder und am Zürichsee entlang zu joggen oder war mit dem Bike unterwegs über Stock und Stein oder im Winter mit den Skis/Snowboard. Unihockey hab ich am intensivsten betrieben, teils auch als Leistungssport.
Irgendwann war ich mit der Art und Weise des Umgangs mit dem eignen Körper immer unzufriedener. Er musste trainiert werden, Feinmotorik oder Ausdauer verbessert werden, teils wurde der Körper auch gequält und der Körper hatte auf jedem Fall dem Kopf und dessen Willen zu folgen. Gut war wenn der Körper unauffällig funktionierte, leistungsfähig war und wie ein dressieretes Pferd unter Kontrolle des Willens stand. Verletzungen wurden in Kauf genommen, waren teils so etwas wie Auszeichnungen. Vielleicht kennt der oder die Eine diesen Umgang aus dem eigenen Leben auch?
Ich wollte zunehmend nicht mehr auf diese Art und Weise mit meinem Körper umgehen. Ab mitte Zwanzig begab ich mich auf die Suche nach einem anderen Umgang. Ich wollte verstehen, wieso dieses sich quälen, dieses auf die Zähne beissen und diese verbissenen Willensleistungen für so normal empfunden wurden. Für mich passte dieser Umgang nicht mehr, wobei ich zunächst nicht verstand, was mich so befremdete. Ich liess mich von meiner Intuition leiten.
Als ich den Zugang zum tanzen fand, probierte ich ziemlich vieles aus. Von 5 Rhythmen über West Coast Swing, Lindy Hop, zu bal folk, Mazurka bis zu indischen Fischertänzen und mehr oder weniger alles was dazwischen liegt auch. Bei der kubanischen Salsa hatte ich erstmals das Gefühl von ankommen, von nach Hause kommen. Heute verstehe ich wieso.
Auch dort war jedoch zunächst eine wiederkehrende Erfahrung, dass für viele von uns Europäern, die Einheit der Körperbewegungen von Füssen, Hüften, Armen und Schultern im Takt der Musik und ev. mit eine(r) Tanzpartner(in) alles andere als einfach war. "Du tanzst mechanisch", "das sind keine organischen Bewegungen", "spür den Rhythmus", "spür die Chemie mit deiner Tanzpartnerin" waren häufig gehörte Aussagen meiner Tanzlehrer. Wieso sah das bei den Kubanern so wunderbar aus und bei einem selber viel (vor allem zu Beginn) die Koordination furchtbar schwer?
Zeitgleich zu meinem praktischen Suche, war es mir auch ein Bedürfnis vom Kopf her zu verstehen, wieso eine Grosszahl der Menschen so unachtsam und hart mit sich, respektive ihrem Körper umgehen. Beruflich kam ich mit einer Vielzahl von Menschen in Kontakt, die an körperlichen und / oder psychischen Problemen litten.
Immer klarer erkannte ich, dass die in unserem Kulturkreis vorherrschende Spaltung von Materie und Geist (Leib-Seele Dualität) etwas damit zu tun hat. Exemplarisch bringt dies Descartes auf den Punkt mit seiner Unterscheidung von res cogitans (dem Denken/Verstand) und res extensa (den Gefühlen, Empathie, Intuition, dem Körper/Triebhaftgkeit und GEIST (es gibt mehr als reine Materie). "Ich denke also bin ich", sein geflügeltes Wort. Entpreschend wurden aber die anderen Qualitäten abgewertet und abgespalten.
Kein Wunder haben so viele Menschen in unsererm Kulturkreis Mühe sich wohl im Körper zu fühlen und auch Gefühle sind häufig suspekt und vermeintlich etwas "irrationales" / störendes.
Dass dem nicht so ist, wird mittlerweile -zum Glück - immer mehr Menschen bewusst. Auch auf akademischer Ebene wird langsam klar, dass Descartes sich irrte (vgl. den Neurowissenschaftler Damasio, Descartes Irrtum). Es geht heute um Integration der lange wenig geschätzten Seiten der Persönlichkeit. Embodiment ist das fachliche Stichwort dazu.
Erlangen Menschen wieder Zugang zu diesen verdrängten Seiten, wird das Leben wieder bunt und der Körper kann zur wertvollen Informationsquelle über das eigene Befinden und zum Ort der Freude werden.